Geschichte

Vom Nikolaiturm und dem Nikolaitor

aus dem Buch "Wehrhaftes Görlitz" 
Vom zweitältesten  Tore der Stadt, vom Nikolaitor, steht heute nur noch einsam, seines Tores und seiner Mauern beraubt, der Turm, der kahl wie eine dicke Röhre gen Himmel ragt. Auch diesem Tore, das bei dem ganz geringen Verkehr der abschüssigen Straße ein Funken von wohlwollender Einsicht hätte als wunderbares Dokument stolzer Vergangenheit und Baukunst erhalten können, gilt das Weh, das die Vernichtung des Neißturmes schuf.
Das Tor wurde bereits 1305 auf den ersten Blättern des alten Görlitzer Stadtbuches genannt. Eine Sage behauptet, es sei von Herzog Sobieslaus 1131 erbaut worden. Wenn 1344 von einer „Hofestatt“ unter dem St.-Nikolaus-Turme zwischen der Mauer die Rede ist, so bestätigen dies alte Bilder und Pläne, nach denen man an ein dreifaches, überaus starkes Tor zu denken hat. Das erste Tor führte von der Nikolaistraße durch die innere Stadtmauer, das zweite, das durch ein starkes Fallgatter bewehrt war, durch die Außenmauer des Zwingers, währen das dritte Tor, das sich unter dem Torhause öffnete, an den Graben und die Zugbrücke stieß, die, wenn sie aufgezogen war, das Tor völlig deckte.
1400 wurde ein neues Torhaus, an dem früher seit 1399 Halseifen befestigt waren, geschaffen und 1428 der Hussitengefahr wegen über ihm noch ein Wehrgang. In dieser ersten Gestalt stand es bis zum Brande von 1456, der das Tor bis auf die Umfassungsmauern zerstörte. Schon im folgenden Jahr wurde es in der früheren Festigkeit aufgebaut und hielt so lange Jahre trotz manchen Wetterschlages und mancher Veränderung stand. Auch in Friedenszeiten war es bewacht. 1489 setzte der Rat einen besonderen Wächter ans Tor, der den Bierschmuggel des Pfarrers in die innere Stadt verhindern sollte, da die Geistlichkeit nur die Befugnis hatte, lediglich auf dem Pfarrhofe für sich und die Kleriker fremdes Bier zu halten. Dieser Bierstreit beschäftigte König und Bischof durch Jahre.
1539 wurde auf dem Nikolaiturm ein Wächter, der die Zeit anschlug, eingesetzt. Ein solcher wurde 1586 bei seinem Tun vom Blitz erschlagen. 1568 hatte die Torbrücke steinerne Pfeiler mit Bogen als Durchlässe erhalten. Bis 1752 ging man von der Stadtmauer aus auf einer Treppe auf den Turm.
1568 hatte die Torbrücke steinerne Pfeiler mit Bogen als Durchlässe erhalten, und im Jahre 1774 wurden Zugbrücke und Fallgatter entfernt. Bis 1752 ging man, außerhalb des Turmes, über die Stadtmauer auf einer Treppe, hinauf zum Turmstübchen. Erst danach wurde unten am Boden eine Tür als Zugang eingebaut. In früheren Jahren hatte der Nikolaiturm eine gotische Spitze und auch mehr Zierat.
Auf der Abbildung erscheint der Nikolaiturm noch mit der gotischen Spitze und der „überhängenden Wehre“ geschmückt, bis 1717 ein fürchterlicher Brand Tor und Turm zerstörte. Heute wird er oben nur von zwei Gurtgesimsen umzogen und erhielt nun eine barocke Haube.
Auf der obenstehenden Ansicht aus dem Jahr 1773 sind sehr gut die Häuser an der Ecke zum Steinweg und der Lunitz zu sehen. Links thront noch ein mächtiger Renaissancegiebel aus dem 16. Jahrhundert an der Ecke des Nikolaigrabens. Rechts an diesem Haus des sogenannten „Jesusbäckers“ war eine „Kapelle“ für die Prozessionen zum Heiligen Grabe errichtet worden.
Vom Nikolaitor führte die Krebsgasse an der Mauer hin. Hier hatten die Dominikaner aus Bunzlau bis 1456 ihre Terminei, und in eins der Häuser wurde die „Alte Schule“ verlegt, bevor sie 1565 ins Gymnasium kam. An ihrer Statt entstand dann dort 1573 die erste allgemeine deutsche Knabenschule mit vier Lehrern. Krebsgasse und Karpfengrund boten sonst die Wohnungen für Geistliche, Altaristen, den Organisten, und hatten auch ein „Seelhaus“, das 1537 ans Frauenspital überging.
Der Plan zeigt Nikolaitor -und Turm um 1830.
1848 wurden die Toranlagen beseitigt, seitdem steht nur noch der Nikolaiturm selbst, mit seinen am Fuße 2,86 Meter dicken Mauern. Im Oktober 1904 schaffte die Stadt Görlitz die Türmerstellen ab. Das Läuten der Glocken geschieht jetzt elektrisch. Auch die Namen der zahllosen Türmer, die zum Wohl der Stadt Zeit und Feuer anzeigten, sind längst vergessen. In vielen freiwilligen Arbeitsstunden wurde der Nikolaiturm von 1971 bis 1980 instand gesetzt und beherbergt heute, neben vielen anderen Exponaten, ein nachgestaltetes Türmerstübchen und auch eine Turmbesteigung ist möglich.
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